Hadsch ist keine Ziyarat

Natürlich gehört es zur Hadsch dazu, dass man den Propheten besucht. Ebenso Jannatul Baqi‘ und andere Ziyarat-Stätten in Media und Mekka. Wer schon einmal in Karbala bei Imam Husain (a.) oder in Maschhad bei Imam Riza (a.) war, könnte auf die Idee kommen, dass die Hadsch in Mekka genau in diese Reihe passen könnte.

Bei meiner letzten Hadsch habe ich mehrmals gehört, wie in Gesprächsrunden Vergleiche mit Karbala oder Maschhad gezogen wurden. Meistens in einem klagenden Ton. Da gäbe es so viel mehr Platz. Die Leute wären so hilfsbereit. Die Hotels seien alle nah am Haram und außerdem besser ausgestattet. Da wurde mir klar: Viele kommen mit einer völlig falschen Erwartung.

Wer einen spirituellen Urlaub wünscht, kann nach Maschhad, Karbala, Najaf oder Qom fahren. Man kann in die spirituelle Atmosphäre der Masse als Einzelperson oder auch als Reisegruppe eintauchen, wann immer man Lust hat. Man kann Freunde finden und besuchen. Man kann sich Zeit lassen. Man ist flexibel. Hadsch ist kein spiritueller Urlaub.

Natürlich ist die Hadsch eine unglaublich spirituelle Erfahrung, aber gleichzeitig viel mehr als das. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Hadsch anstrengend ist. Es gibt keine Flexibilität während der Hadsch. Du musst zu ganz bestimmten Zeiten an ganz bestimmten Orten sein. Dabei musst du dich genaustens daran halten, was dein Reiseführer sagt. Es gibt kein „Ich bin krank. Geht schon mal vor, ich komme nach“.

In der Hadschzeit ist Mekka voller Menschen aus der ganzen Welt. Medina ist nur halb so voll, denn die eine Hälfte der Pilger besucht Medina vor der Hadsch, die andere Hälfte danach. Die Hotels in Mekka schlachten die Situation für sich aus. Medina versorgt die Pilger wie Touristen, Mekka wie Soldaten. Wer auf diese Situation nicht vorbereitet ist, wird stark enttäuscht werden.

Gerade nicht unvorbereiteten Pilger zeigten sich enttäuscht, manchmal sogar wütend. Einmal hörte ich in Mina tatsächlich jemanden sagen: „Wieso hat der Scheich uns hierher gebracht? Wieso sind wir schon um 23 Uhr hier gewesen? Jetzt warten wir schon seit Stunden! Das soll jetzt bis zum Morgengebet so gehen? Er hätte doch mit uns um 2 oder 3 Uhr hier herkommen können.“ Dabei hat der Reiseführer mehrmals sehr genau erklärt, dass es Teil des Ritus ist, mindestens die Hälfte der Nacht in Mina zu verbringen.

Wenn man weiß, was einen erwartet, bekommt man eine innere Ruhe, mit der man alles durch andere Augen betrachtet. Man sieht die Schönheit da, wo andere nichts als Beschimpfenswertes sehen. Vorbereitung ist deswegen das A und O für die Hadsch.